Dienstag, 27. Juli 2010

Gegensätze

Die Tage vergehen im Nu - es hat sich bereits eine gewisse Routine in unseren Radel-Reise-Alltag eingespielt. Das Auf- und Abbauen des Zeltes, das Zubereiten der Kohlenhydrat-reichen Verpflegung mit dem Campingkocher und das stetige Aus- und Einpacken der gesamten Reiseausrüstung geht Hand in Hand. Trotzdem bringt jeder Tag Neues und es sind die Kleinigkeiten die uns abends mit einem Lächeln einschlafen lassen.

Seit dem letzten Bericht sind wir von Alaska durch den Yukon und British Columbia gefahren. Nach einer hügeligen Fahrt auf dem wunderschönen Abschnitt von Whitehorse nach Skagway genossen wir 3 velofreie Tage auf der Fähre und sind anschliessend mit frischem Elan in Prince Rupert wieder gestartet. Nun radeln wir auf dem Yellowhead Highway in Richtung Prince George und nähern uns den Nationalpärken Jasper und Banff.

Emerald Lake

Spirit Lake

Bove Island

Nachfolgend einige Gegensätze die uns während unserer bisherigen Reise begleitet haben:

Versorgungsmöglichkeiten
Während wir in den meisten Teilen Alaskas die Einkäufe genau planen mussten, weil die (Tankstellen-) Shops nur spärlich gesäät sind, kommen wir nun wieder in besser versorgte Gebiete. Der bisher eindrücklichste Gegensatz: Auf den 218 km des Denali Highways gibt es keinen einzigen Laden (jedoch einige Lodges mit Restaurant) und so freuten wir uns auf Paxson, das Dorf am Highwayende. Der "Shop" befand sich in einem schäbigen Zimmer, die Wände geziert mit Tablaren. Darauf fanden wir einige Dosen (eingelegte Pfirsiche, Chilli con Carne, Bohnen) welche variabel zwischen 1 und 7 Jahren abgelaufen waren. Teigwaren waren nicht im Angebot, dafür hätte man sich mit Kuchenglasur, Leuchtstiften oder einem Waffeltoaster eindecken können. In Whitehorse hingegen war der Supermarkt so riesig, dass wir stundenlang vor den meterlangen Regalen voller Zahnpasta oder Riegeln hätten stehen können.

Zurückgelegte Tagesdistanzen
Während wir täglich durchschnittlich 70 - 90 km fahren, so ist die zurückgelegte Distanz sehr stark von Tagesform, Strassenverhältnissen und Wetter, d.h. vor allem Wind-abhängig. In der Gegend zwischen Tok und Haines Junction (Yukon) - welche bekannt für ihre starken Winde ist - haben wir (auch gemäss Einheimischen) einen wirklich üblen Tag erwischt. Teilweise war der Wind so stark, dass wir bergab im kleinsten Gang pedalen mussten um eine Geschwindigkeit von 8 km/h zu erreichen. Nach 68 km unter diesen Umständen konnten wir dem Angebot eines Pick-up Rides zur nächsten Unterkunft nicht wiederstehen. Im Gegenzug legten wir 2 Tage darauf bei Windstille 166 km an einem Tag mit dem Rad zurück - und waren abends weniger kaputt als nach den oben genannten 68 km.

Unterkünfte
Meistens übernachten wir in privaten oder staatlichen Campgrounds. Diese Plätze ähneln sich... Doch zwischendurch nächtigen wir an besonderen Juwelen: An einem einsamen Plätzchen mit Privatstrand am See, in einem umgebauten Schulbus, an einem lauschigen Plätzchen direkt im Urwald oder im Gästezimmer bei einem netten Ausland-Schweizer. Ab und zu treffen wir abends auf andere Radreisende; man tauscht sich aus und erhält oft wertvolle Tipps über die verschiedenen Streckenabschnitte.

Unser Schoolbus

Vegetation
In Alaska ist das Landschaftsbild vor allem durch (Schwarz-) Tannen geprägt. Diese wachsen aufgrund der langen und dunklen Winter nur sehr langsam, ein 80-jähriger Baum weist oftmals einen Durchmesser von nur 5 cm auf! Nach Prince Rupert fuhren wir durch wunderschönen Urwald, die Vegetation wurde vielfältiger und schoss hoch in den Himmel. Seit einigen Tagen säumen Farmen und Getreidefelder die Strassen, was uns etwas an Zuhause erinnert...





Herkunft
Die Ahnenforschung hat ergeben: Roger teilt seine Wurzeln mit Fabian Cancellara. Die Abfahrten und Ebenen gehören unbestritten ihm - Julie hingegen weist Parallelen mit Bergfloh Beat Breu auf. Wenn sich ein Steigung am Horizont türmt kommt Julie in Fahrt...

Hungry Hill :-)

Muskelkater
Das (fast) tägliche Fahrradfahren kann unseren Beinen kaum mehr etwas anhaben... Jedoch führte die steile Wanderung in Skagway zu einem 3-tägigen Muskelkater - zum Glück konnten wir uns auf der Fähre ausruhen :-)




Gewohnheiten
Zuhause nimmt man täglich seine frischen Kleider aus dem Schrank ohne dabei einen Gedanken zu verschwenden. Auf unserer Reise wird jedoch jedes frische T-Shirt celebriert! Hingegen wurde Zuhause höchstens in angetrunkenem Zustand gesungen - dies hat sich nun geändert. Mittlerweile singen wir leidenschaftlich von früh bis spät (Textsicherheit dank Silvias Liederbuch) und der Gesang dient nicht mehr nur dem Zweck der Bären-Vertreibung.

Bär am Strassenrand (zu leise gesungen?)

Mittwoch, 7. Juli 2010

Gastfreundliches Alaska

Der Denali Highway stellt sich als echtes Highlight heraus. Die Strasse ist erfreulicherweise besser befahrbar als im Reiseführer vermerkt und die Landschaft ist einfach grandios. Das Bergpanorama steht im Kontrast zu den weiten Flächen versehen mit unendlich vielen Tannen und Flüssen bzw. glitzernden Seeen. So macht das Velofahren Freude! Das Wetter wechselt hier wahnsinnig schnell. An einem Tag haben wir strahlenden Sonnenschein und schlafen unter wolkenlosem Himmel ein, um dann bei strömendem Regen und 10 °C zu erwachen. So schnell der Regen aufzieht ist er glücklicherweise meist auch wieder verschwunden, d. h. wenn die Regenhosen montiert sind stoppt der Regen bestimmt in den nächsten Minuten :-) Neben der Landschaft geniessen wir vor allem die Gastfreundschaft der Einheimischen. Wir werden überall freundlich empfangen und interessiert ausgefragt.



Nach den ersten 1000 km gönnen wir uns einen Ruhetag - schliesslich ist Independence Day! Mittags schlendern wir zum Dorf-Shop, wo uns die Ladenbesitzer spontan zu ihrer Feier einladen. So verbringen wir einen wahnsinnig tollen Tag mit der Familie Hoke und deren Freunde. Es gibt Bier, BBQ und wir zünden Feuerwerke in den (fast) nicht dunkel werdenden Himmel. Wir sind dabei als sie riesigen Lachs fangen, ausnehmen und verarbeiten. Mit der Zusicherung, dass wir stark wie Pferde werden, essen wir sogar ein Lachs-Herz :-P Bei der Verabschiedung werden wir herzlich umarmt und die Leute bedanken sich bei UNS. Wahnsinn..!




Nach so einem Tag möchte man am liebsten einfach dableiben, doch mit gesponserten Büchsen voller Lachs- und Moose-Fleisch steigen wir wieder auf unser Rad. Der Tag ist trüb, die Wolken hängen tief, doch wir sind einfach glücklich und beginnen zu begreifen, welch ein Glück wir haben all diese Erlebnisse sammeln zu dürfen.